Am 26. Juni 2025 wurde im Forum Wissen der Universität Göttingen ein bedeutendes Kapitel deutscher Kunst- und Sammlungsgeschichte aufgeschlagen: Die Sammlung Antje und Gerhard Bodenstein wurde offiziell an die Universität übergeben. Die Veranstaltung, organisiert vom Förderverein Forum Wissen e.V., zog zahlreiche Besucherinnen und Besucher an. Ursula Haufe, Vorsitzende des Fördervereins, begrüßte die Gäste mit herzlichen Worten und würdigte das außergewöhnliche Engagement des Sammlerpaares. Dr. Anne-Katrin Sors, Kustodin der Kunstsammlung, Universität Göttingen im Forum Wissen zeigte ausgewählte Werke der Schenkung.
Die Sammlung umfasst über 600 Werke – darunter Originalkunstwerke, Druckgrafiken, Zeichnungen, Gemälde und Objekte – und dokumentiert eindrucksvoll die Entwicklung der Bildenden Kunst in Deutschland seit den 1960er Jahren. Besonders hervorzuheben sind Arbeiten von international renommierten Künstlern wie Joseph Beuys, Wolf Vostell, Günter Uecker, Timm Ulrichs und F.W. Bernstein. Diese Künstler prägten nicht nur die deutsche Nachkriegskunst, sondern auch die internationale Avantgarde maßgeblich.
Sichtlich gut gelaunt - der Göttinger Professor Gerhard Bodenstein.
Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Hineingeschmeckt“ – ein passender Name für ein Ereignis, das Kunst, Wissenschaft und Öffentlichkeit miteinander verband. In einer atmosphärisch dichten Präsentation wurden ausgewählte Werke erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Besucherinnen und Besucher konnten sich von der Vielfalt und Tiefe der Sammlung überzeugen, die nicht nur künstlerisch, sondern auch kulturgeschichtlich von großer Bedeutung ist.
Joseph Beuys, Mitbegründer der Fluxus-Bewegung, ist mit mehreren Arbeiten vertreten, die seine Idee der „sozialen Plastik“ eindrucksvoll veranschaulichen. Wolf Vostell, ein Pionier der Videokunst und des Happenings, ist mit Werken präsent, die seine medienkritische Haltung und seine radikale Ästhetik widerspiegeln. Günter Uecker, bekannt für seine Nagelbilder und Mitglied der Gruppe ZERO, bringt mit seinen Arbeiten eine poetische Materialität in die Sammlung ein, die zwischen Zerstörung und Heilung oszilliert.
Die Sammlung Bodenstein ist nicht nur ein Spiegel der künstlerischen Entwicklungen der Nachkriegszeit, sondern auch ein Zeugnis des kulturellen Lebens in Göttingen. Prof. Dr. Gerhard Bodenstein, 1935 in Göttingen geboren, war über Jahrzehnte hinweg eine prägende Figur im kulturellen Diskurs der Stadt. Für sein Engagement wurde er mit der Ehrenmedaille der Stadt Göttingen (2001) und dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland (2009) ausgezeichnet.
Oona Lochner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen: „Die Sammlung erzählt vom engen Austausch zwischen Göttingen und der überregionalen Kunstszene. Mit mehreren documenta-Künstlern und Künstlergruppen wie ZERO und ZEBRA bilden sich in ihr zentrale Entwicklungen in der BRD nach 1960 ab.“
"Der Fussballschuh" - der kürzlich verstorbene deutsche Künstler Günter Uecker wurde bekannt mit seinen Nagelbilder.
Die Übergabe der Sammlung eröffnet neue Perspektiven für Forschung und Lehre. Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten künftig die Möglichkeit, anhand originaler Werke die künstlerischen Praktiken und Netzwerke der Nachkriegszeit zu erforschen. Einige der Werke werden dauerhaft im Raum „Hörsaal“ des Wissensmuseums ausgestellt und machen so die Sammlung einem breiten Publikum zugänglich.
Olympia 72 von Wolf Vostell.
Die Veranstaltung war nicht nur ein Festakt, sondern auch ein lebendiger Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Kunst und Wissenschaft. Sie zeigte eindrucksvoll, wie privates Engagement und institutionelle Verantwortung zusammenwirken können, um kulturelles Erbe zu bewahren und weiterzugeben.
"Mit der Sammlung Bodenstein erhält die Universität Göttingen nicht nur eine bedeutende Erweiterung ihrer Kunstsammlung, sondern auch ein lebendiges Archiv der deutschen Nachkriegskunst – ein Geschenk an die Zukunft", freut sich die Leiterin der Kunstsammlung Dr. Anne-Kathrin Sors.