Rund zehn Jahre nach Gründung präsentierte das Formula-Student-Team Blue Flash am Gesundheitscampus Göttingen den E_HAWK25 – ein wieder ambitioniertes Fahrzeug des interdisziplinären Hochschul-Projekts. Die Veranstaltung am Gesundheitscampus Göttingen, die zugleich eine erfolgreiche Dekade des studentischen Rennstalls feierte, bot einen eindrucksvollen Einblick in die Entwicklung, die Blue Flash von den Anfängen bis heute genommen hat. Im Mittelpunkt stand vor rund 200 Gästen die Enthüllung des E_HAWK25, der mit zahlreichen technischen Neuerungen aufwartet. Nun stehen Wettbewerbe in Deutschland und erstmals Ungarn an.
Kappa Optronics als langjähriger Großsponsor: CTO Patrick Hein
„Heute stehe ich hier als Teamleiter. Letztes Jahr war ich noch draußen beim Catering in einer braunen Schürze und habe Essen gekocht“, beginnt Leon Marten seine kurze Rede. Karriere machen geht schnell bei Blue Flash, große Verantwortung tragen für ein Projekt, dessen Materialkosten schnell im sechsstelligen Eurobereich liegen, ebenso: „Man könnte sagen, ich lebe den Göttinger Dream vom Tellerwäscher zum Teamleiter“, sagt er augenzwinkernd. Im Wintersemester 2023 hatte er sein Studium im Präzisionsmaschinebau auf Bachelor an der HAWK begonnen: „Und ich stand dann vor dieser Werkstatt. Sofort hat mich der Spirit von Blue Flash, aber auch diese Faszination von Formula Student total gepackt.“
Damit ist er nicht alleine: Rund 35 junge Menschen, darunter auch etliche der Universität Göttingen und einige Auszubildende beteiligen sich an der Studierenden-Firma „Blue Flash“ der Hochschule. Jedes Jahr findet sich das Team teils neu: Studierende beenden ihr Studium, neue beginnen es und fangen später bei Blue Flash an.
Projekt mit großem Praxisbezug: Dr. Marc Hudy, Präsident der HAWK
Mit dem diesjährigen Rollout beginnt für sie nun richtig die neue Saison im internationalen Wettbewerb der Formula Student, in dem jährlich Hochschul-Teams aus aller Welt ihre selbstentwickelten Rennwagen auf die Probe stellen. Für die HAWK ist das Projekt längst mehr als ein Konstruktionswettbewerb: Es gilt als Aushängeschild für praxisnahe Ingenieurausbildung und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
„Das ist so typisch für uns als HAW, als Hochschule für angewandte Wissenschaften“, sagt der Präsident der HAWK, Dr. Marc Hudy. Er würdigt die Bedeutung des Projekts für die Hochschule: „Das Projekt hat Praxisbezug. Die jungen Leute lernen Projektarbeit, Budgetverantwortung und das Arbeiten in interdisziplinären Teams, aber auch unter Zeitdruck, in Baugruppenleitungen, in bestimmten Teamhierarchien und Strukturen. Und das ist alles das über das hinaus, was wir ihnen als Hochschule beibringen können, was die jungen Menschen später im Job brauchen“.
Auch Studiendekan Prof. Dr. Salvatore Sternkopf von der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit betont die Rolle von Blue Flash als integraler Bestandteil der Ausbildung: „Das Formula Student Team ist sozusagen ein Projekt, was von der Konzeption zur Konstruktion und bis zur Inbetriebnahme jeden Schritt im Produktions- und Entwicklungsprozess darstellt. Die Studierenden haben nicht nur einen Einblick in eins dieser Themengebiete, sondern können den kompletten Prozess einmal überblicken“.
Patrick Hein, CTO bei Kappa Optronics, unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Blue Flash, als einer der langjährigen Großsponsoren und Technologiepartner des Studierenden-Projekts: „Besonders beeindruckt mich, wie anschaulich ihr eure Arbeit zu jeder Tages- und auch Nachtzeit erklären könnt.“ Was sie geschaffen haben, sei mehr als ein Rennwagen: „Ihr habt eine Marke aufgebaut. Blue Flash E_HAWKs ‚Made in Göttingen‘.“ Der Spirit aus dem Team strahle auch auf die Firma aus, denn nicht wenige der Blue-Flashler seien als Werkstudierende bei Kappa: „Die Extrameile für euch als Studierende oder besser als Vollzeit-Renningenieur*innen zahlt sich also auch für euren Berufseinstieg aus.“
In einem Rückblick-Video, gestaltet von den ehemaligen Blue-Flashlern, wird an Anfänge erinnert: Damals, 2015 bestand das Team noch aus wenigen Mitgliedern, die vor allem mit Improvisation und Durchhaltevermögen punkteten: „Es ist wirklich schön, nach zehn Jahren auf das Team zu schauen und dann zu sehen, dass es zum einen immer noch besteht und zum anderen, wie sich das ganze Team über die Jahre entwickelt hat“, so Christof Germershausen. Er hatte vor einer Dekade Blue Flash an der HAWK mitbegründet. „Das war das Beste, was ich im Studium gemacht habe, das will ich auf gar kein Fall missen. Ich hätte lieber noch länger gemacht“, pflichtet ihm Co-Gründer Markus Scheffler bei.
Ursprünglich an die Hochschule als Idee mitgebracht hatte es Prof. Dr.-Ing. Peter Reinke (im Ruhestand), der damals von der WHZ Zwickau zur HAWK wechselte und Studierende dafür begeisterte. Im Video wurde auch nochmal die Namensfindung von Blue Flash geklärt: „Racing“ sei schon zu sehr im Gebrauch gewesen – man kam schließlich auf „Blue“: energieeffizient, klimaneutral und sauber. Flash - wegen des elektrischen Rennautos. Die erste Generation hat damals aus sehr wenig viel gemacht, nicht zuletzt musste Geld beschafft werden. Das erste Auto bei dem ersten Wettbewerb entstand als reine Konstruktionsidee. Es wurde ein Jahr später als erster „E_HAWK16“ dann materiell. Neun Fahrzeuge sind seitdem in der Hochschul-Werkstatt auf den Göttinger Zietenterrassen konstruiert worden.
Der nun enthüllte E_HAWK25 unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Vorjahresmodell, baut dennoch maßgeblich auf ihn auf: Auffällig ist ein weiterentwickeltes Aerodynamikpaket mit komplexeren Flügelstrukturen, sogenannten Flags und Bargeboards. Eduard Lau, Technischer Mitarbeiter Aerodynamik (8. Semester Präzisionsmaschinenbau Bachelor), beschreibt: „Jeder Flügel hat seine eigene Funktion und ist dementsprechend auf alle anderen auch abgestimmt.“
Ein zentrales technisches Update ist die Umstellung von einem Stirnradgetriebe auf einen Kettenantrieb, was zu einer deutlichen Gewichtsreduktion führte. Die Akkumulator-Architektur wurde grundlegend überarbeitet: Ein neues Stack-Design, gefertigt im 3D-Druck, erhöht die Sicherheit und Stabilität des Energiespeichers. Die Energiezellen, deren Entwicklung auch Bestandteil der Hochschullehre sind, könnten bereits nächstes Jahr erstmals komplett selbst hergestellt werden, so Salvatore Sternkopf.
Im Bereich Elektronik und Software wurde eine neue Masterplatine entwickelt, der Kabelbaum ist nun geschirmt, um elektromagnetische Störungen zu minimieren. Die Integration einer neuen Kappa-Kamera und KI-gestützter Bildverarbeitung markiert einen weiteren Schritt in Richtung autonomes Fahren. Das rund 35köpfige Team arbeitet dazu an der Entwicklung von Stereo-Vision, um die Effizienz und Zuverlässigkeit weiter zu steigern.
Aber auch die Fertigungsprozesse wurden optimiert: Der Rahmen des E_HAWK25 folgt einem neuen, schmaleren Konzept, das die Fertigungszeit um 40 Prozent reduziert und mehr Platz für autonome Komponenten bietet, wie der technische Leiter Vincent Weber, Technischer Leiter von Blue Flash (4. Semester Elektro-/Informationstechnik auf Bachelor) erläutert. Teamleiter Leon Marten zeigt sich zufrieden mit den erreichten Verbesserungen: „Wir haben die Ziele für diese Saison bereits sehr gut umsetzen können. Da bin ich auch sehr stolz auf das Team“. Nicht zuletzt habe auch die Anpassung der Prozesse an eine Matrix-Organisation Früchte getragen.
Mit dem E_HAWK25 will Blue Flash erstmals in Ungarn antreten und hat sich das Ziel gesetzt, in beiden Wettbewerben driverless zu fahren. Die Integration autonomer Fahrfunktionen und die Optimierung der Fahrzeugperformance stehen dabei im Fokus. „Wir haben auf jeden Fall punkttechnische Ziele festgesetzt - natürlich ist es immer das Ziel, unter die Top Ten zu kommen oder am besten noch einen Podiumsplatz zu holen. Aber das wird die Zeit auf jeden Fall zeigen“, zeigt sich Leon Marten vorsichtig optimistisch.